Wir müssen lernen die Welt wie die Hunde zu sehen
Wir Hundehalter haben in der Regel alle ein und dasselbe Ziel: Das Zusammenleben soll harmonisch sein und unsere Hunde sollen uns im Alltag begleiten.
Um Hunde besser zu verstehen, kommen wir nicht umhin, uns etwas Wissen anzueignen, vor allem, wenn es um die Grundbedürfnisse des Hundes geht. Schließlich wollen wir ja, dass es unserem Hund gut geht. Nun wissen wir nicht hundertprozentig, wie unser Hund die Umwelt wahrnimmt. Nun heißt es für uns zu lernen und zu versuchen, wie ein Hund zu denken und zu sehen. Erst dann kann ich als Mensch entsprechend reagieren.
Die Schwierigkeit bei den meisten Menschen besteht darin, dass sie nicht bei sich bleiben können. Sie wollen immer etwas vom Hund, können ihn nicht in Ruhe lassen. Oft werden auch unsere Emotionen, Ängste und unsere Bedürfnisse auf den Hund projiziert. Der Hund aber kann diese Erwartungshaltungen nicht verstehen.
Damit sich unsere Hunde in unserer Welt wohlfühlen, muss der Mensch verstehen, dass er überhaupt nicht dominant sein muss, damit der Hund ihn akzeptiert. Vielmehr entsteht ein tiefes Vertrauen, wenn der Mensch sich als Entscheidungsträger sieht, der immer gute Entscheidungen zugunsten der gesamten Gruppe trifft. Der Hund registriert sehr wohl, wenn sein Mensch geduldig, fair und beharrlich reagiert. Menschen, die laut, hysterisch oder unvorhersehbar, also nicht einschätzbar sind, meiden Hunde, sie bekommen Angst. Genau wie Menschen, denen man auf grobe Art und Weise Fehler auftischt, die sie machen, werden immer ängstlicher, immer unsicherer und die Fehler werden sich deshalb nicht verringern, im Gegenteil. Deshalb sollte der Mensch eine gewisse natürliche Souveränität ausstrahlen, damit sich der Hund beschützt und sicher fühlen kann.
Hunde, die in den Händen von sehr unsicheren Menschen sind, reagieren oft lautstark an der Leine, weil sie sich nicht hinreichend beschützt und geführt fühlen. Aber deshalb sollen schüchterne Menschen keine Hunde haben? Weit gefehlt. Hunde können Menschen dazu verhelfen, in eine souveräne Rolle zu gehen, ähnlich wie Eltern, die wie Löwen für ihre Kinder einstehen. So etwas entwickelt sich. Man muss nur verstehen, dass es die Pflicht des Menschen ist, Gefahrensituationen zu managen.
Wie steht es denn mit dem sogenannten Grundgehorsam? Dieses Wort steht bei mir mittlerweile für etwas Militärisches, was ich nicht so mag. Aber! Es ist etwas dran, wenn man neben eigenen Ausstrahlung, Mimik, Gestik, Körpersprache auch an einer subtilen und nicht zu harschen Signalgebung arbeitet. Der Hund nimmt alles sehr deutlich wahr und wenn unser sensibler Vierbeiner in Stresssituationen gerät, dann möchte er nicht unbedingt noch von uns mit viel Text zugeschüttet werden, das ist viel zu viel für ihn. Aber mit einer wohlwollenden, aber festen Stimme, mit einer weichen und einladenden Körpersprache und mit guten Gedanken meinerseits, kann ich meinen Hund vermitteln, dass alles gut ist. Wir müssen wissen, dass unsere Gedanken nicht nur zu Worten werden, sondern auch zu taten. Habe ich Angst, weil vielleicht gleich ein Hund um die Ecke kommt, weil mein Hund ausrasten könnte, wird genau diese Situation so eintreten.
D. h., mein Hund ist abhängig von meinen Gedanken und Gefühlen, denn ich lebe dies vor und Hunde lernen in erster Linie durch Nachahmung, weil das die einfachste Form des Lernens ist.
Viele Grundkommandos machen überhaupt keinen Sinn, aber manchmal eben doch. Es kommt darauf an. Zum Beispiel muss mein Hund niemals sitzen, bevor ich die Straße überqueren will. Vielleicht ist es gerade aufgrund des Wetters unangenehm. Es genügt doch, wenn er neben mir steht und gemeinsam mit mir wartet, also warum ein unnötiges Sitz einfordern. Erstens habe ich dann auch eine Erwartungshaltung an den Hund und wenn diese nicht erfüllt wird, kommt Frust auf, vor allem beim Menschen und das wiederum überträgt sich auf den Hund – Nachahmung! Wir erinnern uns?!
Für viele Hunde ist es besser, wenn sie zum Beispiel bei Hundebegegnungen in die Ruhe gehen können, um zu beobachten. Wenn der Mensch das zulässt und nicht gleich lospoltert mit irgendeinem Kommando, kann es u. U. ein Segen für den Hund sein, Artgenossen einfach vorbeilaufen zu sehen. Das Auslösen des Hundes entsteht meistens dann, wenn der Mensch irgendetwas im barschen Tonfall sagt oder an der Leine zieht. Das kann der Anfang einer sogenannten Leinenaggression sein.
Für andere Hunde aber ist es besser, wenn sie bei Hundebegegnungen schnell vorbeidüsen können, weil die Bewegung einfach Stress abbaut. Manche wollen schnüffeln, andere ziehen zum Hund hin, um sich über den Geruch mehr Informationen zu verschaffen. Ein direkter Kontakt wird meist verhindert über einen Leinenruck. Da haben wir wieder den Salat. Der Hund versteht die Welt nicht mehr. Er riecht zwar den Hund von weitem, aber am Popo ist der Geruch halt noch intensiver. Der Mensch versucht alles, um seinen Hund am Kontakt zu hindern. Nun gut! Das wird auch bei mir so gelehrt. Denn nicht jeder Hund möchte Kontakt zu einem Artgenossen und manchmal gibt es auch gute Gründe, dass ein direkter Kontakt nicht stattfinden kann. Welpen lernen bei mir zum Beispiel, dass es keinen direkten Erstkontakt zu einem anderen Hund gibt. Erst später, wenn alles gut ist, kann der Kontakt natürlich entweder ohne Leine oder an sehr lockerer Leine hergestellt werden, je nachdem, was ich denn für einen Welpen habe, unsicher oder sicher. Alles eine Frage des Charakters.
Nun, Hunde sind genauso verschieden wie wir Menschen und wenn es schüchterne Menschen gibt, muss es auch schüchterne Hunde geben. Genauso gibt es die Draufgänger oder die souveränen Hunde, auch in Abhängigkeit von Rasse, Alter, Genetik, Epigenetik (Bindeglied zwischen Umwelteinflüssen und Genen), hormoneller Status, Lernerfahrung u. v. m.
Was ist noch wichtig? Was müssen wir Menschen noch für Voraussetzungen mitbringen? Ja genau! Zeit. Wir benötigen viel Zeit und Ruhe. Warum? Haben wir auch direkt nach der ersten Klasse das Abitur gemacht? Nein! Also braucht der Hund die Zeit zum Lernen, wenigstens ein paar Signale, vielleicht ein schönes Laufen an der Leine, aber das mit extrem viel Feingefühl und Geduld. Daneben benötigt unser Hund unsere Gesellschaft, wir sollten ihm ruhig und gelassen entgegentreten. Ansonsten haben unsere sensiblen Schutzbefohlenen Angst und das kann auch im schlimmsten Fall zu Aggressionsverhalten führen, vor allem bei ungebetener Distanzunterschreitung. Das haben wir bei kleinen Hunden sehr oft. Sie bellen deshalb auch viel öfter als große Hunde. Warum? Weil sie leider damit leben müssen, von jedem angetatscht zu werden, ungefragt und ungebeten, obgleich sie an der Leine sind.
Spaziergang des Hundes oder des Menschen?
Der tägliche Spaziergang sollte eine Freude sein. Richtig aufgebaut kann es so sein, dass der Hund immer wieder den Blickkontakt seines Menschen sucht, dass der Hund sehr gern in der Nähe des Menschen bleibt. Diese Schule ist für mein Dafürhalten wichtig zu durchlaufen, aber weniger der Hund als der Mensch. Denn viele verwechseln den Spaziergang mit einem Marathon oder mit paradieren. Wichtig ist es, ruhig und langsam durch die Welt zu gehen, damit der Hund diese auch wahrnehmen und erkunden kann. Der Mensch begleitet diese Erkundungstour wohlwollend, nickt anerkennend, sagt freundliche Sachen und erwidert die Berührungen des Hundes. Warum nicht einfach mal paar Futterbröckchen kullern lassen und der Hund kann seine Nase einsetzen, um dem Geruch zu folgen.
Wenn auch du deinen Hund besser verstehen möchtest, dann melde dich gern bei mir. Im Alltagstraining werden wir euch schrittweise zu einem guten Team machen. Hab Geduld und vor allem vertraue mir. Denn die Erfolge stellen sich manchmal sehr schnell, aber durchaus auch erst etwas später ein, diese aber nachhaltig.